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Bronzener Abschied für Melanie Bauschke bei den European Games

Melanie Bauschke über ihre Erfahrung mit dem neuen Wettkampfformat und wieso ihr die Bronze-Medaille von den European Games in Minsk so viel bedeutet.

 

Bei den European Games wurde ein neues Wettkampfformat ausprobiert. Wie hast du das neue Format DNA (Dynamic New Athletics) kennengelernt? Wie findest du das?

„Zu Beginn ziemlich kompliziert. Ich war ja zunächst nur als Ersatz für Julia Gerter nominiert und hatte mich daher nur sporadisch mit den Regularien beschäftigt. Die größte Änderung für uns Weitspringer ist, dass man im direkten Duell springt und Punkte sammelt. Erst als sich dann Julia die Achillessehne gerissen hatte und klar war, dass ich springen werde, habe ich mich tiefgründiger mit den Regularien befasst. Von den Zuschauern habe ich gehört, dass es durch das Duellsystem klarer war, wer weiter springt und die Punkte sammelt. Im Stadion wurde immer angezeigt, wer gegeneinander springt und wer weiter springt. Die Duelle an sich waren gut zu durchschauen, besonders auch im Speerwurf und Hochsprung. Alle Ergebnisse (Punkte) der Disziplinen wurden dann in einen Rückstand auf das führende Team bei der Hunt-Staffel (Jagdstaffel) umgerechnet. Bei der Hunt-Staffel am Finaltag war es dann sehr spannend, weil die Plätze 1 und 2 sowie die Plätze 3 und 4 punktgleich waren. Viel besser hätte das Programm nicht geschrieben werden können.

In Minsk durften die Athleten und die Trainer im Gegensatz zu anderen internationalen Wettkämpfen mit in den Innenraum. Wir konnten somit die anderen Disziplinen hautnah mitverfolgen und unsere Teamkolleginnen und -kollegen anfeuern. Für mich war echt super schön ein Teil davon gewesen zu sein und mit einem jungen DLV-Team unterwegs zu sein. Zu meiner großen Ehre wurde ich zu Beginn der European Games zur Team-Kapitänin ernannt, darüber habe ich mich sehr gefreut. Ich war die Älteste im Team und wurde so ein bisschen als „Mutti“ wahrgenommen. Ich war damit eine Art Ansprechpartner, insbesondere für die jungen Athleten, die sich gefreut haben, wenn ich im Wettkampf bei Ihnen war und sie auch in schwierigen Situationen ein wenig mit meiner Erfahrung unterstützen konnte. Schlussendlich war es ein spannendes, neues Konzept bei dem der Zuschauer sofort den Sieger des gesamten Wettkampfes erkennt: wer als Erstes durchs Ziel kommt ist der Gewinner.“

 

Denkst du, dass dieses Konzept eine Zukunft in der Leichtathletik hat oder ist es keine richtige Alternative zum traditionellen Format?

„Ich glaube bei Meisterschaften, bei denen es darum geht, den besten einer Disziplin zu bestimmen, funktioniert das Format nicht. Im Weitsprung zum Beispiel, geht es um jeden Zentimeter und da muss man das Brett zu 100% ausnutzten, um die beste Weite zu springen. Bei dem DNA Format müssen die Athletinnen und Athleten jedoch auf Sicherheit springen, um Punkte zu erhalten. Da heißt es lieber ein paar Zentimeter am Brett verschenken als einen ungültigen Versuch zu machen und dafür null Punkte zu bekommen. Hört sich zwar komisch an, ist aber so. Vor allem im Hochsprung sind die Athleten etwas zurückhaltender bei der Auswahl der Höhen, um auch gültig zu springen. Aber so als allgemeines Konzept, könnte ich es mir im Nachwuchsbereich sehr gut vorstellen.“

Wie war eigentlich die Stimmung im Athletendorf und bei der deutschen Mannschaft? Du hast uns bereits ein paar Einblicke gegeben.

„Das Athletendorf hat mich an die Universiade 2011 in Shenzhen erinnert: Das Athletendorf bestand aus vielen Hochhäusern und die gesamte Mannschaft des Team D war zusammen in einem Häuserblock untergebracht. Im Dorf gab ein Café, ausgestattet mit einer Spielekonsole und einem Fernseher, wo die ganzen Livestreams übertragen wurden. Außerdem gab es viele Beschäftigungsmöglichkeiten, sodass man sich auch ein wenig vom Sport ablenken konnte. War ganz cool. Besonders gut hat es mir gefallen sich in der großen Mensa auch mal mit den Athleten aus anderen Sportarten zusammen zu setzen und sich zu unterhalten.“

Du warst eine Athletin mit der meisten Erfahrung im Team, doch welche Bedeutung hat diese Medaille für dich?

„Unverhofft kommt oft. Ich hätte nicht damit gerechnet, dass wir eine Chance haben, in den direkten Medaillenkampf einzugreifen. Am Finaltag war unsere Punkteausbeute nach den ersten Wettkämpfen leider nicht so groß wie erhofft, umso überraschender war es dann, dass wir als Team noch die Bronze Medaille erkämpfen konnten. Für mich war es dann auch eine sehr tränenreiche Siegerehrung. Es war ein großartiges Gefühl und meine erste Medaille im Dress des DLV bei einer internationalen Meisterschaft bei den Erwachsenen. Die Medaille wird auf jeden Fall einen Ehrenplatz bei mir zuhause bekommen. Es war eine ganz tolle Siegerehrung und ein goldener Abschluss auch wenn es eine Bronzemedaille war [ihr kommen die Tränen].“

Du meintest es war ein schöner Abschluss? Ist dies der Abschied von deiner aktiven Karriere als Leichtathletin? Wie schwer war diese Entscheidung für dich bzw. wie kam es zum Entschluss deine Karriere zu beenden?

„Das war ein langer Prozess. Ich hatte im letzten Sommer schon mal kurzzeitig begonnen über mein Karriereende nachzudenken und habe darüber mal am Rande mit Tanja Damaske, meiner Sportpsychologin, gesprochen. Sie hatte mir verschiede Wege aufgezeigt, aber am Ende wollte ich, auch im Hinblick auf die EM in Berlin, nochmal voll angreifen. Nach den Deutschen Meisterschaften im letzten Jahr hatte ich einen schönen Urlaub, danach einen Bundeswehrlehrgang in Hannover und in dieser Zeit ist mir die Motivation irgendwie abhandengekommen. Zu dem Zeitpunkt dachte ich noch, dass die Motivation und der Ehrgeiz zurückkommen würden. Aber beides kam nicht mehr in dem Maße zurück, wie es vorher war. Ich bin dann im Januar ins Training wieder eingestiegen, aber es lief nicht so gut und alles fiel mir schwerer als sonst. Ich habe zu der Zeit auch sehr unruhig geschlafen, da ich mich gefragt habe, wo mein Weg mal hingehen wird, wenn ich kein Leistungssportler mehr bin. Ich habe mich dann auch mal mit meinem Chef in der Sportfördergruppe der Bundeswehr darüber unterhalten. Zu dieser Zeit suchte er gerade eine/n Mitarbeiter/in, um eine Stelle neu zu besetzen. Da wir beide uns das sehr gut vorstellen konnten, werde ich seit April für diese Stelle eingearbeitet. Der Sprung aus der aktiven Sportlerkarriere hin ins normale Arbeitsleben ist mir dadurch leichter gefallen. Mein Körper hat nach 15 Jahren Leistungssport auch einige Baustellen, was mit 31 Jahren einfach normal ist. Wir [gemeint sind ihre Trainerin Frau Stein und Sie] sind all die Jahre super durchgekommen, sind konstant gesprungen und haben uns in der deutschen Spitze etablieren können, aber jetzt funktioniert der Körper einfach nicht mehr so wie früher und das zerrt dann natürlich auch an der Motivation. Die Trainingslager Anfang des Jahres habe ich alle noch mitgemacht, um mir nicht irgendwann selbst mal vorwerfen zu müssen ich hätte nicht alles probiert und alles gegeben. Aber dass es mir immer schwerer fiel, hat natürlich auch meine Trainerin mitbekommen. Daraufhin haben wir entschieden, dass ich mich für die European Games fit halten werde, aber wir erstmal keine weiteren Wettkämpfe bestreiten.

Erst bei den European Games ist mir dann klar geworden, dass das mein letzter Wettkampf werden würde und ich nicht mehr bei den deutschen Meisterschaften in diesem Jahr in Berlin antreten werde, das haben dann auch unsere Teambetreuer mitbekommen. Am Ende des Finaltages der European Games gab es eine stille Stunde, wo das ganze Team nochmal zusammengekommen ist. Hierbei wurde ich von unserem Sprungtrainer Sebastian Kneifel, der mich in Minsk betreut hat, in der Runde verabschiedet. Die European Games waren ein super Schlusspunkt meiner aktiven Karriere und mit der Medaille natürlich auch noch ein sehr erfolgreicher.“

Werden wir jetzt noch einmal etwas nostalgisch. Du hast eine Zeit lang Hochsprung und Weitsprung parallel sehr erfolgreich bestritten. Was war eigentlich dein größter Erfolg?

„Mit der größte Erfolg, war die Goldmedaille im Weitsprung und die Silbermedaille im Hochsprung bei der U23 EM 2009. Aber von der emotionellen Wertigkeit war der deutsche Meisterschaftstitel 2014 fast noch höher zu bewerten. Wir waren sechs Weitspringerinnen, die die EM-Norm für Zürich erfüllt hatten und es hieß, dass der deutsche Meister mit erfüllter Norm auf jeden Fall nach Zürich fahren würde. Ich hatte von allen Weitspringerinnen, die die Norm erfüllt hatten, die kürzeste Weite zu stehen. Dennoch konnte ich mich bei den deutschen Meisterschaften durchsetzen und hatte als deutsche Meisterin die Fahrkarte für Zürich sicher. Das war der emotionalste und schönste Titel, weil alle meine Konkurrentinnen am Start waren. Mit diesem Titel nach Hause zu gehen war das Schönste.“

Dann war die EM in Zürich, da gab es einen Protest, wodurch du von Platz 3 auf Platz 6 gerutscht bist. Würdest du das als einen deiner schwierigsten oder traurigsten Momente bezeichnen?

„Es war ein schlimmes Ereignis, keine Frage, aber viel schlimmer war es für mich die Qualifikation für die Olympischen Spiele in Rio zu haben und mich dann eine Woche vor den Deutschen Meisterschaften zu verletzen. Klar ist eine Medaille bei der EM auch etwas Tolles, aber ich wollte um jeden Preis in Rio springen. Immerhin ist es der Traum eines jeden Sportlers einmal an den Olympischen Spielen teilzunehmen. Daher glaube ich, dass diese Verletzung noch schlimmer und dramatischer war. Ich hatte da die Form meines Lebens und musste mir die Olympischen Spiele dann im Fernsehen angucken…“

Auf welche Erfahrung hättest du gerne in deiner Leistungssportkarriere verzichtet?

„Ich glaube eigentlich auf Nichts. Ich denke auf Verletzungen hätte ich gerne verzichten können, aber ansonsten muss man als Sportler vieles durchleben, um weiter zu kommen. Ebenso gehören negative Wettkämpfe und schlechte Leistungen dazu. Ich bin auch schon mal um die halbe Welt geflogen, um mit 6,18m nach Hause zu kommen. Kann ich eigentlich darauf verzichten, bringt einen aber irgendwie doch weiter. Man lernt vieles über sich selbst.

Nö, es lief vieles in meiner Karriere wie ich es mir vorgestellt habe.“

Was wirst du aus deiner Zeit als Leistungssportlerin für deine Zukunft bzw. auch für dein berufliches Leben mitnehmen?

„Ich glaube die Disziplin können wir alle gut mitnehmen. Außerdem sind wir auch sehr selbstbewusst im Vergleich zu nicht-Leistungsportlern. Über die Bundeswehr und auch durch die European Games habe ich gemerkt, dass ich trotz meiner Individualsportart ein Teamplayer bin. Ich bin irgendwie eine ‚Hörsaal-Mutti‘ oder eine, die die Gruppe zusammenhält, obwohl wir als Weitspringer doch Individualisten sind. Ich habe während meiner sportlichen Karriere unheimlich viele Menschen kennengelernt und auch über Grenzen hinaus viele Bekanntschaften geschlossen. Ich bin viel gereist und habe viel gesehen. Natürlich auch bisschen Geld verdient und mein Hobby zum Beruf gemacht, was will man mehr? Aber leider hat das auch mal ein Ende.“

Zum Thema Ende, weißt du schon ob du etwas vermissen wirst?

„Jetzt gerade? Nichts. Gerade möchte ich keinen Sport machen, mich nicht bewegen und essen, was ich möchte. Ich brauche zurzeit kein Stadion, den Geruch des Tartan oder den Sand in meinen Socken. Ich brauche keine Spikes, die übrigens alle weggeräumt sind. Ich brauche gerade etwas Abstand. Dass ich etwas vermisse, kommt vielleicht noch.“

Wo wirst du dich in einem Jahr sehen? In einem Jahr ohne Leistungssport.

„In einem Jahr werde ich immer noch in der Sportfördergruppe Berlin als stellvertretende Leiterin am Computer sitzen und mich um die Personalangelegenheiten der Spitzensportler kümmern. Folglich bleibe ich dem Spitzensport erhalten, aber auf der anderen Seite des Schreibtisches. Und ich freue mich jetzt schon darauf die Leistungen unserer Spitzensportler zu verfolgen, sie anzufeuern und sie zu unterstützen.“

Du hattest eine lange Karriere, gibt es Menschen, denen du Danken möchtest?

„An erster Stelle meiner Trainerin Annett Stein [ihr kommen die Tränen]. Das ist auch der größte und schwerste Abschied. Sie hat mich in Ihre Trainingsgruppe aufgenommen, als ich 15 Jahre alt war. Wir haben 16 Jahre lang zusammen trainiert und gearbeitet und sind dabei durch Höhen und Tiefen gegangen. Klar gab es mal Streitigkeiten und sie hat mich auch mal stehen lassen, wenn ich mal wieder bockig war, aber ich war ja immer eine Vorzeigeathletin [lacht]. Wir waren ein ziemlich gutes Team. Als nächstes der Spitzensportförderung der Bundeswehr, wo ich seit 2009 unterstützt werde und die mir jetzt sogar den Weg ebnet für das Leben nach dem Leistungssport. Dem OSP Berlin und seinen Förderpartnern, die mich finanziell bei den Trainingslagern unterstützt haben. Natürlich danke ich auch dem Weitsprungbundestrainer Herrn Knapp und dem gesamten DLV-Team, für die jahrelange gute Zusammenarbeit. Nicht vergessen möchte ich meine Vereine LG Nike Berlin, bei dem ich 10 schöne Jahre hatte und jetzt LAC Olympia 88 Berlin, der mich super unterstützt und gefördert hat. Und natürlich wäre es auch nicht ohne Eltern, die mich in der Jugend unterstützt, gefördert und von A nach B gefahren haben, möglich gewesen. Mein Papa war immer mein größter Fan und ist so oft es ging mitgereist. Und es gibt noch so unheimlich viele weitere Menschen, die ich alle gar nicht aufzählen kann, die mich auf meinem Weg begleitet haben. Es war einfach eine schöne Zeit.“

Worauf freust du dich jetzt?

„Jetzt?! Auf ein ganz normales Leben: z.B. Essen! Auf ein Eis, ein Glas Wein, auf einen Cocktail, ohne ein schlechtes Gewissen zu haben. Ich merke langsam, dass ich loslassen kann und ohne, dass jemand Druck macht. Ich kann jetzt einfach das Leben in vollen Zügen genießen. Und das Beste ist, dass ich jetzt nicht mehr ständig meinen Aufenthaltsort in ADAMS [dem Onlineportal der NADA] angeben muss, damit die Dopingkontrolleure mich immer und überall finden können. Das ist auch ein schönes Gefühl.“

 

MH

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