Pressemitteilungen
Christoph Harting: „Olympiasieger zu sein, ist ein befreiendes Gefühl“
Christoph Harting, ihr Triumph in Rio liegt mittlerweile zwei Monate zurück. Wie fühlt es sich an, Olympiasieger zu sein? Hat sich eine gewisse innere Zufriedenheit eingestellt?
Christoph Harting:
Ich habe die Zeit bis jetzt gebraucht, um diesen Sieg zu realisieren. Das Gefühl ist unbeschreiblich. Und immer, wenn ich an diesen Moment zurückdenke, zaubert es mir ein Lächeln ins Gesicht. Das wird immer größer, je mehr sich das Gefühl setzt. Und das befreit. Ich habe das größtmögliche sportliche Ziel erreicht.
Welche neuen Ziele bleiben Ihnen da noch?
Christoph Harting:
Schon vor meinem Olympiasieg habe ich mich mit dem Weltrekord auseinandergesetzt. Der Sieg in Rio, gibt mir die Freiheit, mich auf dieses Ziel zu fokussieren. Das Training wird in den nächsten Jahren darauf ausgerichtet, Weltrekord zu werfen.
Wo steckt noch Potential, um die 74,08 Meter von Jürgen Schult aus dem Jahr 1986 zu überbieten?
Christoph Harting:
Das größte Potential steckt immer noch darin, die höchst mögliche körperliche Leistungsfähigkeit mit der größtmöglichen mentalen Stärke auf einen Punkt zu bringen. Zusätzlich braucht man einen geeigneten Ring und geeignete äußere Bedingungen, die das unterstützen. Wie die Trainingsgestaltung im kommenden Aufbautraining aussieht, habe ich mit meinem Trainer noch nicht besprochen. Das steht noch aus. In dem Jahr nach Olympia wird es im Training aber erst einmal etwas ruhiger.
Neben Kraft und Technik nennen Sie auch die mentale Stärke, die es für eine optimale Leistung auszureizen gilt. Wie kann das gelingen?
Christoph Harting:
Schauen wir auf meinen entscheidenden letzten Wurf in Rio. In einer solchen Situation gibt es zwei Möglichkeiten. Entweder, du maximierst deine Aufmerksamkeit auf jede Millisekunde der Bewegung und weißt ganz genau, was du zu machen hast. Oder es geht genau umgekehrt: Du löst dich von allem und lässt die Bewegung fließen. Die Versuche vier und fünf in Rio habe ich noch genutzt, um das richtige Bewegungsmuster zu finden. Da geht es um Feinheiten im technischen Ablauf. Im sechsten Versuch habe ich es dann einfach zugelassen. Wenn dich die Bewegung dann findet, hast du alles richtig gemacht. So ist es in Rio gewesen.
Nach Ihrem Sieg in Rio haben Sie keine Wettkämpfe mehr bestritten. Was war los und wie geht es Ihnen jetzt?
Christoph Harting:
Am letzten Tag in Rio habe ich mir einen Infekt zugezogen. Ich war fünf Wochen lang krank. In dieser Zeit konnte ich weder trainieren, noch war an einen Wettkampf zu denken. Das war sehr schade. Aber mittlerweile bin ich wieder ganz gut genesen.
Neben Ihrem überragenden sportlichen Sieg in Rio haben auch die Szenen nach Ihrem Wettkampf und bei der Siegerehrung Schlagzeilen gemacht. Haben Sie sich die Fernsehbilder noch einmal angeschaut? Können Sie die Aufregung nachvollziehen?
Christoph Harting:
Ich habe es mir nicht noch einmal angeschaut, aber die Diskussion verfolgt. Zum Teil konnte ich sie gut nachvollziehen, weil Ungewohntes immer auf Kritik stößt. Gleichzeitig habe ich mich darüber gewundert, dass über die Art, wie ich mich gefreut habe, so viel gesprochen wurde. Ich kann mich auch nicht mehr an jede einzelne Situation erinnern. Mir war bewusst, dass ich in Rio Olympiasieger werden kann. Als es dann aber Realität wurde, war ich überwältigt, voller Gefühle, voller Glück und kaum Herr meiner Sinne. Ich denke, es gibt keine Vorschriften dafür, wie sich ein Mensch in einer solchen Situation zu freuen hat.
Im Zuge der Diskussion war auch von einer "repräsentativen" Verantwortung die Rede, die ein Olympiasieger für hat. Gibt es aus Ihrer Sicht eine solche Verantwortung? Sie haben zuletzt unter anderen stundenlang Autogramme beim ISTAF geschrieben und sind quer durch die Republik nach Werl gefahren, wo ein neuer Diskusring eingeweiht wurde. Ist das die Art, wie Sie dieser Verantwortung nachkommen wollen?
Christoph Harting:
Ich denke, es gibt eine Verantwortung, die ein Olympiasieger trägt. Das "Repräsentieren" ist eine Form davon. Ich bekomme Einladungen zu Veranstaltungen und wenn sie mir zusagen, nehme ich sie an. Wenn dann noch die Jüngsten unter uns mit einem Autogramm und einem Lächeln nach Hause gehen und etwas mitnehmen, habe ich alles richtig gemacht. Darüber hinaus, ist es mir auch wichtig, mich nach innen hinein im Sport einzubringen und Dinge anzuregen. Das Alles muss gar nicht groß in der Öffentlichkeit wahrgenommen werden.
Sie haben auch eine Aktion gestartet, bei der Sie Ihre Olympiaausrüstung für einen guten Zweck versteigern...
Christoph Harting:
Stimmt. Der Großteil des Erlöses wird an eine Berliner Kita und eine Grundschule gespendet. Man kann die Artikel ersteigern oder sofort kaufen, vom Trolley über die Trainingshose bis zur Sonnenbrille. Mein Originaltrikot mit signierter Startnummer wird später noch angeboten.
Sie stellen im Moment auch neben dem Training die Weichen für die nächsten Monate und Jahre. Welche Veränderung gibt es da?
Christoph Harting:
Ich habe ein Psychologiestudium aufgenommen. Zu studieren und mein Wissen zu erweitern, ist ein grundsätzliches Interesse von mir. Eine weitere mentale Herausforderung neben dem Sport ist auch förderlich, damit der Kopf nicht auf der Strecke bleibt. In den kommenden Wochen und Monaten wird es vornehmlich darum gehen, das Studium mit dem Training zu koordinieren.
Mit der EM 2018 kommt ein Großevent der Leichtathletik nach Deutschland, sogar in Ihrer Heimatstadt Berlin. Wie blicken Sie diesem Event entgegen?
Christoph Harting:
Mit einer riesigen Vorfreude und voller Spannung. Gerade Berlin braucht eine gelungene, gut organisierte Großveranstaltung - als Gegenbeispiel zum Hauptstadtflughafen BER. Ich hoffe, dass die Entscheidungsträger der EM dieser Verantwortung gerecht werden.
jhr