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Ein Tag mit… Lucas Jakubczyk

7.30 Uhr Aufstehen

Wenn am Mittwochmorgen in den vergangenen Wochen in Berlin-Westend der Wecker von Lucas Jakubczyk klingelte, hatte er ein straffes Programm vor sich, mit fünf Stationen: Zweimal selbst trainieren, seine Nachwuchsgruppe als Trainer betreuen, eine Univorlesung und ein Termin bei der Osteopathie. Viel Zeit an all das zu denken bleibt nicht, denn gleich geht es schon los und der erste Weg führt gleich quer durch die Stadt.

8.15 Uhr Mit Rad und S-Bahn ins Sportforum Hohenschönhausen

Winterlich kalt, von Sonne keine Spur. Kurzum: Dieser Januar-Morgen in Berlin ist nicht gerade einladend dafür, nach draußen zu gehen. Trotzdem schwingt sich Lucas Jakubczyk auf sein neues Fahrrad, mit dem er zur S-Bahnstation fährt. „Mit Rad und S-Bahn komme ich um diese Tageszeit am schnellsten voran in der Stadt“, erklärt der 29-Jährige. Mit der Ringbahn geht es vom Bahnhof Westend eine halbe Runde durch die Stadt bis zur Landsberger Allee.

Von dort sind es nochmal ein paar Minuten Fahrt mit dem Rad bis zum Sportforum Hohenschönhausen, dem größten Olympiastützpunkt Deutschlands.

9.00 Uhr Krafttraining

Was die Technik angeht, ist der Stützpunkt absolut modern ausgestattet. Optimale Bedingungen zum Krafttraining bietet das „Haus des Olympiastützpunktes“, wo Trainingswissenschaftler Eberhard Deutscher die Geräte für Lucas Jakubczyk einstellt, der Computer zeichnet alles auf. Hightech pur. Ein Foto vom Krafttraining und eine Bildergalerie zur Reportage finden Sie auf unserer Facebookseite.

Der Weg durch die halbe Stadt hat aber noch ein anderes Ziel, ein ganz besonderes Gerät. Das steht woanders im Sportforum. Um auf dem weitläufigen Gelände Zeit zu sparen, ist das Fahrrad genau das richtige. Es geht vorbei an Wurfhaus, Trainingsstadion und Fußballplätzen zur großen Halle, in der sich Athleten verschiedenster Sportarten begegnen, vorbei an der wegen Sanierung geschlossenen Leichtathletikhalle, durch die Boxhalle und einen Balletraum. Im Kraftraum dahinter steht die Sprintkraftmaschine. Ende der 1990er Jahre entwickelt, stand das Gerät jahrelang kaputt herum, bis es der EM-Fünfte über 100 Meter und sein Trainer Rainer Pottel wiederentdeckten. Mehrere Leistungszentren in Deutschland wollen die Maschine mittlerweile nachbauen. Das besondere: Gleichzeitig wird an einem Bein der Hüftbeuger und am anderen der Hüftstrecker trainiert. Dieses Zusammenspiel ist auch im Sprint gefragt.

10.30 Uhr Univorlesung

Nächste Station im Sportforum: "Altes Casino" gegenüber der Leichtathletikhalle. Hier hält Dr. Winfried Heinicke sein Seminar "Bewegungswissenschaft: Bewegungsanalysen im leichtathletischen Sprung" ab. Die Sportwissenschaft-Studenten der Humboldt-Uni müssen für diese Veranstaltung alle hierher. Von seiner Krafteinheit bis in den Seminarraum hat Lucas Jakubczyk dagegen nur ein paar Meter zurückzulegen.

Diesmal wird die russische Stabhochsprung-Schule mit der französischen verglichen. "Die russische Technik ist filigraner, die französische eher kraftorientiert", erzählt Lucas Jakubczyk, der in diesem Winter insgesamt vier Kurse besucht. Mittlerweile ist er im 7. Semester. Das Bachelorstudium wird ihn wohl noch seine gesamte weitere Karriere begleiten, die grobe Planung läuft erst einmal mindestens bis zur Heim-EM 2018. Gerade im Sommer steht die Uni hinten an, da durch Trainingslager und Wettkampfsaison kaum Zeit für regelmäßige Anwesenheit im Hörsaal bleibt.

Das im Studium erworbene Wissen hat nicht nur für den Studenten Lucas Jakubczyk einen Wert, sondern auch für den Athleten. "Zu wissen, welche Stoffelwechselvorgänge im Körper vor sich gehen, ist zum Beispiel nützlich für die Regeneration. Auch aus der Sportpsychologie kann ich etwas mitnehmen", so der Vize-Europameister mit der 4x100-Meter-Staffel.  

13.00 Uhr Mittagessen

Kurze Verschnaufpause in Sicht. Nachdem es mit Rad und S-Bahn wieder zurück zum Bahnhof Westend ging, radelt Lucas Jakubczyk nach Hause zum Mittagessen. Im September hat er eine Wohnung gemeinsam mit seiner Freundin bezogen.

15.00 Uhr Trainingseinheit Sprint

Die Anfahrt von zu Hause zur Rudolf-Harbig-Halle in der Nähe des Berliner Olympiastadions ist deutlich kürzer als die am Morgen zum Sportforum Hohenschönhausen - dennoch nimmt Lucas Jakubczyk diesmal das Auto. Der Verkehr um diese Uhrzeit lässt ein bisschen Bequemlichkeit zu.
Gemeinsam mit SCC-Sprintkollege George Petzold stehen Starts und Tempoläufe über 150, 120 und 60 Meter auf dem Programm. Das Kommando hat Trainer Rainer Pottel, die Stimmung ist gelöst. Anweisungen sind kaum nötig - außer mal ein lauter Ruf: "30 Sekunden", um auf das nahende Ende der Pause hinzuweisen. Siebeneinhalb Jahre arbeiten Trainer und Athlet schon zusammen. Da braucht es nicht mehr viele Worte. Mit den Jahren hat das Gespann ein Trainingskonzept entwickelt, das optimal auf Lucas Jakubczyk abgestimmt ist. Das lang gewachsene Vertrauensverhältnis ist ein wichtiger Schlüssel zum Erfolg.

Maximale Sprints stehen beispielsweise kaum auf dem Trainingsplan, es sei denn die Blockperiodisierung sieht eine Phase der Wettkampfsimulation vor - wie zuletzt im Dezember. Danach gab es eine Trainingsphase. Mit der laufenden Woche wird es ernst, die "Realisation-Phase" hat begonnen. Schon aus dem vollen Training gab es am Sonntag die Berlin Brandenburgischen Titel über 60 Meter (6,70 sec) und 200 Meter (21,16 sec). Am Donnerstag (29. Januar) steht das PSD Bank Meeting in Düsseldorf an, dann das Meeting in Erfurt (3. Februar). Nach einer kurzen Wettkampfpause, in der einige Uniprüfungen zu absolvieren sind, geht die Jagd nach der 60-Meter-Bestzeit (6,56 sec) bei ISTAF Indoor (14. Februar) und Hallen-DM (21./22. Februar) richtig los. "Bei der DM möchte ich nicht wieder Zweiter werden", so Lucas Jakubczyk, der im vergangenen Winter zeitgleich mit Sieger Christan Blum und im Sommer wieder zeitgleich mit Julian Reus (beide TV Wattenscheid 01) jeweils Deutscher Vizemeister wurde. Auch die Hallen-EM ist anvisiert.

17.00 Uhr Nachwuchsarbeit

Noch pumpt Lucas Jakubczyk - gerade hat er die dritte Serie seiner Tempoläufe hinter sich. Es ist schon kurz nach fünf. Die Halle ist voller geworden. Die Nachwuchsathleten, die der Sprinter als Trainer betreut, sind dabei sich warm zu machen - selbstständig. "Das erwarte ich", sagt der gebürtige Sachse über seine 13- bis 14-Jährigen Athleten. Schließich kann der Trainer nicht immer dabei sein, wenn zum Beispiel im Wettkampf mehrere Athleten gleichzeitig zu betreuen sind. Spätestens bei größeren Wettkämpfen wie Jugend-DM oder gar internationalen Einsätzen ist mit Händchen halten sowieso nichts mehr.

Solche großen sportlichen Ziele spielen aber noch keine Rolle. Erst einmal gilt es sicherzugehen, dass im Staffeltraining auch vier Läufer am Wechselraum warten, wenn vier andere mit Staffelholz in der Hand angelaufen kommen. Der Trainer muss einige seiner Schützlinge daran erinnern, dass sie gerade an der Reihe sind. Die maximale Leistung herauszuholen steht noch nicht im Mittelpunkt, sondern Spaß haben und gleichzeitig die Mehrkampfausbildung der jungen Athleten vorantreiben.

Zum Trainerjob gekommen ist Lucas Jakubczyk 2010 - einer Zeit des Umbruchs in seiner Karriere. Nachdem er wegen andauernder Verletzungsprobleme als Weitspringer aus der Förderung fiel, arbeitete er kurzzeitig voll bei der Polizei und dann Teilzeit im Auswärtigen Amt. Beides erfüllte ihn nicht. Um die Zeit zum Studienbeginn zu überbrücken, übernahm er die Trainertätigkeit, und blieb dabei.

19.30 Uhr Osteopathie

Beim letzten Termin des Tages geht es endlich etwas ruhiger zu: Weder Körper noch Geist muss Lucas Jakubczyk groß strapazieren, er lässt einen anderen arbeiten: Osteopath Volker Goedicke. "Er bringt meinen Körper wieder ins Lot", erzählt Jakubczyk, heißt im Klartext: Gelenke und Wirbel werden in Position gebracht.

Seit 2010 läuft die Behandlung nach dieser Methode und "hat die Verletzungsstatistik deutlich nach unten gebracht." Volker Goedicke kann die kleineren und größeren Baustellen im Körper eines Leistungssportlers nachvollziehen, er war selbst einer und trug wie sein momentaner „Patient“ das Trikot des SCC Berlin: Bei 7,92 Metern steht seine Bestleistung im Weitsprung aus dem Jahr 1991.

21.00 Uhr Feierabend

Endlich daheim und Zeit noch etwas zu Entspannen bevor die Lichter für heute ausgehen. Nach dem vollen Mittwoch ist am Donnerstag immerhin trainingsfrei. Mit einem Praxis-Kurs Basketball an der Uni steht dennoch ein sportlicher Termin auf dem Tagesplan, den Lucas Jakubczyk auch nicht missen möchte. Er hat mit Studium, Trainerjob und sportlicher Karriere sein Wohlfühlkonzept gefunden. "So nehme ich aktiv am Leben teil."

jhr

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