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Gretel Bergmann im Alter von 103 Jahren verstorben
Die Tragödie von Gretel Bergmann macht jedem Sportler deutlich, was Rassismus und ideologische Engstirnigkeit im Stande sind zu leisten. Ihr Traum waren die Olympischen Sommerspiele von 1936 in Berlin. Die Nazis zerstörten ihn - wegen ihrer kulturellen und religösen Identität. Im Alter von 103 Jahren verstarb sie am 25. Juli 2017 in ihrer neuen Heimat New York/USA. Unweit des Olympiastadions, der Trainingsstätten der heutigen Generationen und der BLV-Geschäftsstelle mahnt heute der Gretel-Bergmann-Weg, die Werte des Sports im Blick zu halten.
Die Süddeutsche Zeitung hat einen Nachruf für Gretel Bergmann verfasst:
Nachruf
Die Ausgeschlossene
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Von Martin Schneider
Der Brief, der Margaret Bergmanns Leben veränderte, endete mit "Heil Hitler!" Er war adressiert an "Frl. Gretel Bergmann", und wörtlich stand in dem Schreiben an die Hochspringerin: "Der Herr Reichssportführer, der die Mannschaft für die Olympischen Spiele auswählte, hat es nicht vermocht, Sie einzureihen." Und weiter schrieb der Reichssportführer Hans von Tschammer und Osten: "Sie werden auf Grund der in letzter Zeit gezeigten Leistungen wohl selber nicht mit einer Aufstellung gerechnet haben."
Das war eine Lüge. Gretel Bergmann stellte nicht einmal drei Wochen vor dem Brief den deutschen Rekord im Hochsprung ein (1,60 Meter). Aber es ging um die Olympischen Spiele 1936 in Berlin - und Bergmann war Jüdin.
Die Geschichte von Margaret Bergmann, genannt Gretel, ist eine der zynischsten und bittersten des deutschen Sports. Sie wurde von den Nazis benutzt und gedemütigt und hat dies natürlich niemals vergessen können.
Dabei hatte sie Deutschland nach der Übernahme der NSDAP bereits verlassen. Als jüdische Sportlerin wurde sie im April 1933 aus ihrem Sportverein, dem Ulmer FV, ausgeschlossen. Sie wanderte nach London aus, aber 1935 zwangen die Nationalsozialisten sie zur Rückkehr. Die USA drohte mit einem Boykott der Spiele von Berlin, wenn keine jüdischen Sportler für Deutschland teilnehmen sollten. Also bedrohten die Nazis ihre Familie, Bergmann musste sich fügen. In Deutschland war sie Teil des Olympia-Teams, sollte aber nie wirklich starten dürfen. Die Nazis benutzten sie als Köder.
Am 15. Juli stach das Olympia-Team der USA in See, am 16. Juli verfassten die Nazis den Brief, der Gretel Bergmann aus der Olympia-Mannschaft warf. Den Wettkampf in Berlin gewann die Ungarin Ibolya Csák, eine Jüdin, mit übersprungenen 1,60 Meter, der selben Höhe, die auch Bergmann kurz zuvor geschafft hatte. Sie blieb immer davon überzeugt, dass sie Gold gewonnen hätte.
Nach ihrem Ausschluss emigrierte sie nach New York. Ihr Mann, der Arzt Bruno Lambert, schaffte es später aus Deutschland raus, aber seine Eltern starben im Holocaust. "Ich habe Deutschland, die Menschen und sogar die Sprache dafür gehasst", sagte Bergmann-Lambert.
Heute sind Sportstätten in Berlin und ihrer Heimatstadt Laupheim nach ihr benannt, der Spielfilm "Berlin 36" erzählt ihre Geschichte. Eine Schule in Hamburg und ein Weg im Olympiapark in Berlin tragen ihren Namen. Dieser Weg führt an der ehemaligen Dienstvilla von Tschammer und Osten vorbei, jenem Nazi, der ihr einst den Brief schrieb.
"Ich werde nie vergessen, was geschehen ist", sagte sie 1999 bei ihrem einzigen Besuch in Deutschland. Sie sei aber froh darüber, sich zur Rückkehr überwunden zu haben. "Wissen Sie, es ist nicht schön, mit all der Bitterkeit im Inneren zu leben." Am Dienstag starb Margaret Bergmann-Lambert im Alter von 103 Jahren in New York.
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Martin Schneider, Jahrgang 1988, kommt aus dem Saarland, lernte bei der Saarbrücker Zeitung und wanderte dann über Mannheim nach München an die Deutsche Journalistenschule. Seit 2012 lose, seit 2016 fest im SZ-Sport.
Ein Artikel aus der digitalen Ausgabe der Süddeutschen Zeitung vom 27.07.2017