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Robert Harting geht neue Wege durch den Tiefschnee

Ein tiefverschneiter Pfad, kaum zu erkennen im winterlichen Nadelwald, gefilmt mit wackeliger Kamera. Durch diese wenig einladende Landschaft stapft eine kleine, dick eingepackte Gruppe Schneewanderer. Nein, das ich keine Szene aus der Fortsetzung von „Blair Witch Project“ sondern ein Video von der Facebookseite von Robert Harting (SCC Berlin), dem bei seinen „Expeditionen“ in seinem ersten Wintertrainingslager im österreichischen Ramsau am Dachstein regelmäßig der Schnee im Bart festfror. Das war aber bei weitem nicht die einzige neue Erfahrung, die sein neuer Trainer Dr. Marko Badura seiner Gruppe, zu der auch Julia Harting und Julie Hartwig (beide SCC Berlin) zählen, mit dem einwöchigen Aufenthalt im Schnee bescherte.

„Bei mir fing es schon beim Tasche packen an. Was nehme ich mit, wenn es nachts -15 und tagsüber -10 Grad sind?“ erzählt Robert Harting, der in früheren Jahren eher der Kälte in Wärmetrainingslager entflohen ist. „Ich habe noch nie auf Langlaufski gestanden und bin mindestens 20mal gestürzt“, berichtet der 32-Jährige. „Es hat gut getan, hinzufallen und zu sehen, dass man sich nichts tut. Man bekommt ein Gefühl dafür, wie robust der Körper ist. Meiner hat sich in letzter Zeit immer wieder Auszeiten genommen.“ Der Trainingsplan sah auch die erste Schneewanderung für den 120-Kilo-Athleten vor, bei der er 800 Höhenmeter zu erklimmen hatte. Zum Ende des Aufenthalts beherrschte Robert Harting die Skating-Technik dann soweit, dass auch auf Ski neben dem koordinativen Trainingseffekt ein konditioneller hinzukam.

Was hat dieses Training mit Diskuswerfen zu tun? „Der Hintergrund ist Organismus-Schulung. Du kannst als Werfer eine lange Saison nicht durchhalten, wenn du nicht eine gute allgemeine Trainingsphase hattest. Bei Werfern ist diese Art des Trainings nichts Neues. Wenn man 15 Jahre zurückblickt, waren Wintertrainingslager für Werfer Standard“, erklärt der Sportler des Jahres 2012, 2013 und 2014, dem es in der ungewohnten Umgebung auch besser als sonst gelang, abzuschalten und sich zu entspannen.

Weniger Trainingsumfang, dafür eine höhere Qualität  

Nach einer erneuten Knie-OP, die auch die Absage des ISTAF Indoor (10. Februar) nach sich zog, hat Robert Harting die Weichen für seine abschließenden beiden Jahre der Karriere gestellt. Was er dabei ändern möchte, hat sich aus der Analyse der zurückliegenden Olympiasaison ergeben. In der Vorbereitung auf die Spiele von Rio (Brasilien) war der Olympiasieger von London (Großbritannien) immer wieder von Verletzungen ausgebremst worden, hatte sich dann kurz vor der Qualifikation einen Hexenschuss zugezogen und war ausgeschieden.  

„Ich habe mich verhalten wie immer, aber die Saison war nicht wie immer. Ich habe nur 30 Prozent des vorgesehenen Pensums trainiert. Ich habe leider zu spät gemerkt, dass die Routinen, die ich mir über die Jahre angeeignet habe, unter diesen Umständen nicht funktioniert haben“, berichtet der Berliner, der in Rio ein Wörtchen im Kampf um den wichtigsten Titel der Leichtathletik mitreden wollte. Dort war es dann Bruder Christoph Harting (SCC Berlin), der für viele überraschend Gold gewann, während Robert beim Finale zuschauen musste. Die beiden sind damit die einzigen Brüder, die bei zwei aufeinanderfolgenden Olympischen Spielen in der gleichen Disziplin der Leichtathletik gewonnen haben.

Vorher, im einzigen Aufeinandertreffen der beiden im vergangenen Sommer bei den Deutschen Meisterschaften in Kassel, hatte sich noch Robert im sechsten Versuch mit 68,04 Metern den Sieg gesichert. Mittlerweile lässt ihn besonders diese Leistung positiv auf das Jahr 2016 zurückblicken. „Unter den Umständen unterm Strich Vierter der Weltjahresbestenliste zu sein, damit kann ich zufrieden sein.“ Das Trainingspensum in diesem Jahr wieder voll abzuarbeiten, hat oberste Priorität. Neben dem ersten Wintertrainingslager gibt es unter Dr. Marko Badura weitere Änderungen. Die Umfänge werden in den ruhigeren Trainingsphasen zurückgefahren, dafür die Qualität in den trainingsintensiven Phasen erhöht. Neue Trainingsreize bieten ganz nebenbei die Möglichkeit, neue Bestleistungen zu erzielen. „Blickt ein junger Athlet auf frühere Werte zurück, verbessert er sich. Ich bin jetzt 32 und war verletzt. Wenn ich zurückblicke, war ich in früheren Jahren besser“, so der zweimalige Europameister über den psychologischen Vorteil neuer Trainingsinhalte.

Karriere-Ende 2018

Gleichzeitig hat Robert Harting den Entschluss gefasst, dass die Heim-EM 2018 der Schlusspunkt seiner Karriere sein soll. Bisher hatte er das Ende seiner aktiven Zeit im Diskusring vom Ausgang der Europameisterschaften im Berliner Olympiastadion abhängig gemacht, in dem er 2009 erstmals Weltmeister geworden war. „Ich freue mich jetzt noch auf dieses und das nächste Jahr und dann gucke ich euch allen zu“, sagt er. Bis dahin wird er Hundertprozent geben, die Leidenschaft für seine Disziplin ist ungebrochen. „Das Gefühl, wenn der Diskus die Hand verlässt, ist unbeschreiblich und macht süchtig. Ich möchte meinen Körper beherrschen. Wenn mir das gelingt, kommt auch die Leistung.“

Mit der WM in London (5. bis 13. August) steht auch in diesem Jahr der Saisonhöhepunkt in einem ganz besonderen Stadion für Robert Harting an. Hier hat er mit dem Olympiasieg seinen größten Erfolg gefeiert. „Ich freue mich auf die Gefühle, wenn ich dort bin und die Briten mit ihrem coolen Humor. Eine Prognose meiner Leistung kann und möchte ich nicht abgeben. Ich habe bisher immer das Podium zum Ziel erklärt. Diesmal will ich es offen lassen.“

Geht der Plan auf und Robert Harting kann seinen Trainingsplan umsetzen und gelingt dies auch seinem Bruder Christoph, können sich die Fans auf hochklassige Wettbewerbe mit einer besonderen Dramatik freuen - spätestens bei der DM in Erfurt (8./9. Juli) und dann bei der WM in London. Denn ein Harting in Bestform, kann alle Gegner übertrumpfen - ganz besonders gerne im sechsten Versuch.

jhr

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