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Bundesstützpunktleiter André Niklaus im Interview
Seit Anfang des Jahres wurde die neu erschaffene Stelle des Bundesstützpunktleiters vom ehemaligen Mehrkämpfer André Niklaus besetzt. Nach einer kurzen Vorstellung auf der Homepage im Januar haben wir uns erneut mit André getroffen und über seine Position, seine Ziele und die vergangenen Monate in der Berliner Leichtathletik gesprochen.
Seit dem 01.01.2022 hast du die Stelle des Bundesstützpunktleiters übernommen. Beleuchte doch einmal was diese Position alles beinhaltet und warum du den Schritt zurück in die Leichtathletik gehen wolltest.
Ich habe die Leichtathletik nie aus den Augen verloren. Ich hatte zum Glück in meiner Karriere viele Berührungspunkte mit anderen Disziplinen und Sportarten, die über das tägliche Training hinaus stattfanden. Da gab es die Bundeswehr, das Studium oder mein Privatleben wodurch ich zu einigen den Kontakt gehalten habe und deren Karriere ich weiterhin beobachten konnte. Mittlerweile gibt es nicht mehr ganz so viele, die man aus aktiven Zeiten kennt, das ist aber nicht schlimm, an die neuen Gesichter hat man sich schnell gewöhnt und ich fiebere auch mit ihnen mit.
Zu meinen Aufgaben gehören derzeitig die Koordinierung der Bundeskader-und Trainerbelange am Standort Berlin.
Was meine ich damit alles:
Ziel ist es den Athleten zum Saisonhöhepunkt in seiner besten Verfassung zu sehen. Aber wie kommt er genau dort hin? Dazu gehört einerseits das Training und die Trainingsstätten und andererseits die geistige Freiheit für ein unbeschwertes Training. Also sollte die duale Karriere auch gefördert und begleitet werden.
Hinzu kommen eine Menge administrative und koordinative Aufgaben. In vielen Fällen haben diese Aufgaben zuletzt die Trainer übernommen, weil es sonst niemanden gab. Jetzt übernehme ich an dieser Stelle und hoffe, dass es die Personen mittelfristig spüren werden.
Darüber hinaus gehört es zu meinen Aufgaben, die gesteckten sportlichen Ziele mit den Partnern des DLVs wie z.B. BLV, LSB, OSP, die Sportstättenverwaltungen, Eliteschulen aber auch Förderer der Leichtathletik zu vereinen und gewinnbringend einzusetzen.
Deine Karriere als Zehnkämpfer hast du 2013 ausklingen lassen. Was hast du in der Zwischenzeit gemacht und wie hat sich die Leichtathletik in Berlin verändert?
Ich habe damals mit meinem Trainer Rainer Pottel häufiger gesprochen, was ich nach dem Sport einmal machen möchte. Als ich 24 Jahre alt war habe ich ihm gesagt: „ich möchte spätestens mit 32 Jahren mein Studium beendet haben und in die Wirtschaft gehen. Dort will ich Erfahrung sammeln und diese anschließend gewinnbringend in den Sport zurückgeben“. Mit 40 Jahren schaue ich mich um und ich kann feststellen, der Plan hat funktioniert. Ich habe zum Ende meiner Karriere Sport und Studium ganz gut koordinieren können, auch wenn es nicht einfach war. Kurz nach meinem Karriereende habe ich mir 1 ½ Monate frei genommen und dann anschließend meine Klausuren gelegt. Ich war wirklich überrascht, wie viel Zeit man zum Lernen haben kann, so ganz ohne Sport.
2014 habe ich dann meinen Bachelor in „International Management“ abgeschlossen. Nach einem kurzen Zwischenstopp bei Nike, habe ich als Marketingmanager begonnen. Hier war ich schnell für das Marketing, den Eventbereich und die Kommunikation in den on-und off-Medien für drei Unternehmen zuständig. Anschließend habe ich mein Hobby zum Beruf gemacht und bin selbständiger Finanzmakler geworden. Auch in dem Beruf habe ich den Sport nie aus den Augen verloren. Naja, und dann war die Möglichkeit da, in einer schönen Position wieder ein Teil der Leichtathletik zu werden.
Jetzt bist du seit gut vier Monaten im Amt. Wie lautet dein erstes Fazit.
Leider haben sich gewisse Dinge nicht geändert, einige Probleme sind immer noch so existent wie vor 15 Jahren. Das Gute daran ist, dass ich zu meiner aktiven Zeit einen Weg gefunden hatte, um diese Probleme zu beseitigen. Allerdings hatte ich aber am Ende meiner Karriere ein 14-köpfiges Team um mich herum. Die Suche und Koordination des Teams haben mich und meinen Trainer viel Energie gekostet.
Was ich auch noch nach meinem Karriereende beobachten konnte war, dass es zu wenig Wissenstransfer zwischen den einzelnen Disziplingruppen oder Jahrgängen gibt. Vielleicht hat der Geher nicht die gleichen Probleme wie der Hammerwerfer, aber es gibt immer Einen, der ähnliche körperliche Probleme hat oder gegen die gleichen Mauern in der Uni gestoßen ist. Leider wurden die Lösungswege, um die Probleme aus der Welt zu schaffen, selten weitergegeben.
Berlin ist in seiner Gesamtheit gut aufgestellt, weltweit brauchen wir uns nicht verstecken. Aber es gibt an einzelnen internationalen Orten immer wieder neue Trainingsmethoden, die für maximalen Erfolg stehen. Diese fallen auf und es wird schnell bemerkt, dass wir diese in Berlin nicht haben. Man braucht nicht grundsätzlich jede neue Methode, man muss aber offen und kreativ bleiben, um die neuen Methoden adäquat nachzubilden. Nicht immer führt eine teure Anschaffung zu einer persönlichen Bestleistung. Das ist auch in der Zusammenarbeit mit den Trainern nicht immer einfach zu argumentieren, aber diese Herausforderung nehme ich gerne an.
Es freut mich zudem alte Gesichter unter den Trainern noch zu kennen, trotzdem brauchen wir mehr engagierte Nachwuchstrainer und das hauptamtlich vollfinanziert. Das Ehrenamt respektiere ich sehr und bin froh, dass es Personen gibt, die Ihr Herz und Ihr Engagement in die Leichtathletik tragen. Für mich als Bundesstützpunktleiter muss es ein Ziel sein, den Trainerberuf wieder mehr zu würdigen, um den Zeitaufwand oder die finanziellen Belastungen für Trainer und Ehrenamtler erträglicher zu machen. Nur so können wir auch wieder sportbegeisterten Trainernachwuchs für das Amt gewinnen.
Nun bringt Berlin als Leichtathletikstandort mit seinen Sportschulen, Trainingsmöglichkeiten, Universitäten und Wettkampfstätten wie dem Olympiastadion viele Vorteile mit. Was fehlt noch, um Berlin für junge Athlet*innen noch attraktiver zu machen?
Genau das müssen wir nach außen tragen. Berlin hat sehr vieles, der Sportler muss eigentlich „nur“ seine Motivation mitbringen. Ich höre leider zu selten, was Berlin alles kann, sondern eher was Berlin alles nicht kann.
Ich wusste immer was Berlin bietet, wo gewisse Fallen lauern können -Stichwort Clublandschaft- und was man in Berlin alles erreichen kann. Falls es Situationen gab, die mit meiner Zukunftsplanung oder denen meiner Eltern oder des Trainers nicht übereingestimmt haben, musste ich Alternativen finden. Das habe ich aber mit Hilfe von anderen Personen in unserem breiten Leistungsfördernden System am Standort Berlin geschafft. Man muss aber wissen wo man sich welche Hilfe und Unterstützung holen kann.
Unsere Trainer beschäftigen sich vornehmlich mit der Sportfachlichkeit, und das ist auch gut und richtig so. Darüber hinaus gibt es Baustellen, die von anderen Personen im System besser bearbeitet und begleitet werden können. Diese Art der Vernetzung und Optimierung für jeden Leistungssportler möglich zu machen, dafür sehe ich meine Stelle als Bundesstützpunktleiter verantwortlich!
In welchen Bereichen siehst du am meisten Handlungsbedarf?
Ich konnte in den letzten Monaten viele Gespräche führen, bei weitem noch nicht genug. Wir haben in Berlin einen riesigen Wissenspool und eine gute Infrastruktur. Das muss wieder zusammengetragen werden. Vielleicht fehlt dem Einen oder Anderen ein bisschen Struktur und ich meine wirklich, „er hat sie vermisst“. Man sucht sich dann seinen Weg und vielleicht war das nicht immer der Beste. Corona hat das noch erschwert oder verstärkt, man konnte sich nicht in gewissen Gruppen locker Austauschen oder die frühere Zusammenarbeit wurde stark eingeschränkt. In der Gesellschaft hat Corona zwischenmenschliche Probleme aufgezeigt und entstehen lassen, warum soll das Thema an uns im Sport vorbei gegangen sein? Jetzt gilt es die alten Stärken zu bündeln und mit Anderen zu teilen. Ich bin kein Fan von „Chakka, wir sind jetzt eine Gruppe“ bzw., weil man drei Mal ruft, „wir sind ein Team, wir sind ein Team, wir sind ein Team“ ist man nicht gleich ein Team. Man kann meistens ein gutes Team erst dann erkennen, wenn man selbst in einem war oder ist. Die Arbeitsteilung funktioniert, man spürt Unterstützung und man gibt auch gerne mal 10% mehr. So etwas muss wachsen, erfordert aber auch Toleranz und Flexibilität. Am Ende kann sich nur jeder selbst die Frage beantworten, ob er diese Eigenschaften besitzt und in die Gruppe einbringen möchte - ich hoffe schon!
Welche Ziele hast du dir für 2022 als Stützpunktkoordinator gesetzt?
Die kaputten Anlagen reparieren zu lassen. (grinst)
Darüber hinaus möchte ich:
- Dass die Trainer und Sportler die Position eines Bundesstützpunktleiters als Gewinn für Ihre persönlichen Ziele erkennen und sie die Chancen nutzen, die sich dadurch ergeben.
- Einen „Werkzeugkasten“ und Rahmenbedingungen etablieren, durch die sich Athleten unterstützt fühlen und mit denen sie arbeiten können, um ihre eigene Karriere voran zu treiben.
- Vielleicht als letzten Punkt: Eine Kommunikationsplattform erstellen, auf der einerseits Probleme von den richtigen Personen schnell gelöst werden können und anderseits ein ständiger Wissensaustausch - auch über die Sportstätte hinaus - stattfinden kann. So etwas kann in vielen Jahren als eine Art Erfahrungsbibliothek dienen, um den Standpunkt Berlin längerfristig zu stabilisieren und den Start als Trainer zu erleichtern.
Vielen Dank für das Interview und viel Erfolg für die kommenden Aufgaben!
LK